Nachhaltig Ausgezeichnet Denkmalschutz

Wettbewerb Neubau Lehrlingswohnheim

«Melting Pot»

Situation
Das Grundstück befindet sich direkt angrenzend, und bildet so den Übergang zwischen einer Autobahn-Hochstrasse, einem Wohnquartier, einer Kantonstrasse und eines Geleisefelds. Das benachbarte Wohnquartier ist geprägt von zwei- und dreigeschossigen Reihenwohnhäusern aus dem späten 19. Jahrhundert, mit ihren typischen Vorgärten, Grenzmauern, Hochparterre-Eingängen und Erkern. Imposante Platanen-Alleen flankieren diese idyllische Wohnstrasse. Eine Grünfläche mit grossgewachsenen Schwarzkiefern bildet den Abschluss des Wohnquartiers gegen die Kreuzung der Kantonsstrasse. Das gesamte Quartier ist dabei stark durchgrünt und weist gegen die Strassenräume eine sehr homogene und intakte Bausubstanz auf. Die vierspurige Kantonsstrasse und die Hochstrasse der Autobahn sind durch ihre markante Bauweise und dem entstehenden Lärm nicht unproblematisch für die Erstellung eines Wohn- und Lerngebäudes.

Entwurfsansatz
Die städtebauliche Situation und der Umgang mit den Lärmquellen der Transitachsen bilden den Ausgangspunk des Entwurfskonzeptes. Das neu entstandene rechteckige Gebäude folgt dem Strassenverlauf entlang der bestehenden Baulinien. Die Grundidee besteht darin das Gebäude nach seinen Funktionen zu schichten, um zwischen Kantonsstrasse, Autobahn und den lärmempfindlichen Wohnnutzungen der Lehrlingszimmer im Gebäudeinneren einen «Puffer» zu generieren. Dazu wird die östliche Längsfassade um rund vier Meter von den Nutzflächen abgelöst. Es entsteht ein Luftraum – ein Atrium – welches über die gesamte Gebäudelänge und Gebäudehöhe führt und als «Pufferraum» für die angrenzenden Raum-schichten dient. An den beiden Gebäudeschmalseiten findet lediglich eine partielle Ablösung statt, indem hier die Fassadenschicht entgegen der Lärmrichtung aufgefächert wird. Die so entstehenden Schallschoten ermöglichen eine direkte, lärmabgewandte Lüftung und Belichtung der dahinterliegenden Nutzflächen. Die lärmberuhigte Westfassade des Gebäudes behält ihre Flucht bei. Sie weist den grössten Teil der lärmempfindlichen und privaten Nutzungen auf. Die Grundrissflächen des Normgeschosses werden in drei grundlegende Raumschichten unterteilt: Neben des «Pufferraumes», dem Atrium, sind das die Erschliessungs- und Wohnbereiche, gefolgt von den privaten Zimmern. Die so entstehenden Raumhierarchien im Grundriss wie im Querschnitt bilden in ihrer Abfolge einen fliessenden Verlauf von öffentlichen Begegnungs- und Kommunikationsflächen, halböffentlichen Wohn- und Aufenthaltsflächen der eigentlichen Wohngruppen, zu den privaten Schlaf- und Studierzimmern jedes einzelnen Lehrlings. Diese Hierarchie ist auch in der Raumstruktur ablesbar, welche von einer grossflächigen, offenen Einteilung der öffentlichen Räume über mittelgrosse, nischenbildende Strukturen der Wohnbereiche, bis hin zu den kammerartigen Strukturen der privaten Zimmer führt. Auf der Mittelachse des Grundrisses zwischen den Raumschichten liegen drei massive Kerne. Sie enthalten alle Nebenräume, wie Nasszellen, Reduits und Technik und gewährleisten gleichzeitig die Erdbebenaussteifung des Gebäudes. An den beiden Schmalseiten sowie an der Längsfassade gegen Westen liegen die in Gruppen angeordneten privaten Schlafzimmer der Lehrlinge. Zusammen mit den drei massiven Kernen teilen sie die restliche Fläche in unterschiedlich grosse Raumnischen auf, es entsteht eine mäandrierende Wohnlandschaft.

Das Betriebskonzept
Das zukünftige Lehrlingswohnheim funktioniert auf verschiedenen Ebenen der Kommunikation und der Möglichkeit sich individuell mit mehr oder weniger Mitlernenden zu treffen und auszutauschen. Das Rückgrat dieses Austausches bildet dabei das Atrium. Mit dem Eintritt in das Gebäude erschliesst sich über diesen geschossübergreifenden Raum das gesamte Gebäude mit all seinen Ebenen. Ihm angegliedert liegen die öffentlichen Räume wie die Aufenthaltsräume und die Gemeinschaftsküche, der mehrfach bespielbare Raum des Auditoriums, die Musikräume im offen gestalteten Untergeschoss, die Aufenthaltsräume im 1.Dachgeschoss mit den Töggelikästen und anderen Spielgeräten, sowie die Bibliothek für stilles Lernen. Diese Räume können jeweils über flexible Raumabschlüsse geöffnet und so dem Atrium zugeschaltet werden. Das Atrium selbst weist neben den internen Laubengängen Flächenausweitungen auf, die sogenannten Loungeflächen, welche als geschoss- und wohngruppenübergreifende Treffpunkte für den lebendigen Austausch dienen. Sie können als Sitzlounges mit Sesseln und Sitzsäcken möbliert, oder als Lernbalkone mit Tischbrüstungen und niedrigen Regalen bestückt werden. Das geschossweise Versetzen dieser Loungeflächen verstärkt den offenen Charakter des Atriums und somit die geschossübergreifenden Querbezüge. Offene Wendeltreppen verbinden die Loungeflächen und unterstreichen den kommunikativen Charakter dieser Raumschicht zusätzlich. Die Gemeinschaftsküche im Erdgeschoss und die beiden angrenzenden Aufenthaltsräume sind dabei diejenigen Raumgefässe, welche die grössten Personengruppen zur Interaktion einladen. Die Küche weist dazu mehrere Koch- und Rüststellen auf, um gemeinsames Kochen in unterschiedlichen Gruppengrössen zu ermöglichen. Die Raumabschlüsse zu den Aufenthaltsräumen werden über Schrankfronten für Service und persönliche Kühlfächer gestaltet, die Küche kann über Schiebetüren mehr oder weniger zugeschaltet werden. Wer zum Essen mehr Intimität wünscht, kann das Gekochte auch in die jeweilige Wohngruppe im Obergeschoss mitnehmen, wo es am gemeinsamen Tisch im kleineren Rahmen zu sich genommen werden kann. Auf allen Geschossen sind grundsätzlich zwei Wohngruppen à 10 Personen untergebracht. Diese beiden Wohngruppen können jeweils über interne, flexible Trennwände in je zwei Vierer- und zwei Sechser-Wohngruppen aufgeteilt werden. Durch die individuelle Möblierung laden diese Nischen zum gemütlichen Diskutieren auf dem Sofa, dem gemeinsamen Essen in der Wohngruppe an einem grossen Tisch oder dem Lernen in Kleingruppen ein. Die Nischen können bei Bedarf mit schweren Textilvorhängen von der restlichen Wohnfläche abgetrennt werden, so dass bei Bedarf eine intimere, schalltechnisch geschützte Situation generiert werden kann. Die Wohnlandschaften sind mit ihren Zutrittstüren und grossen Glasfronten dem Atrium zugewandt. Dies ermöglicht Ein- und Ausblicke in das und aus dem Atrium und damit geschossübergreifenden Austausch der Bewohner. Auch diese Bezüge können mit blickdichten Vorhängen in ihrer Intensität gesteuert und so die Wohnflächen mehr oder weniger offen dem Atrium zugeschaltet werden. Die privatesten Bereiche des Lehrlingswohnheimes bilden die individuellen Zimmer. Die in ihren Flächengrössen knapp, aber ausreichend bemessenen Zimmer bilden einen Rückzugsort, wo Ruhe und Fokussierung auf sich und seine privaten Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Hier kann ungestört mit Freunden und Familie telefoniert, gedöst, gelesen, gelernt und geschlafen werden.

Das Atrium
Das geschossübergreifende Atrium bildet den entwurfsgenerierenden Ausgangspunkt und gleichzeitig das Rückgrat des Gebäu-des. Es dient als Pufferraum gegen die Lärmemissionen der Transitachsen, vereint die Erschliessung der einzelnen Ebenen und dient durch seine Offenheit als zentraler Ort der Kommunikation und Begegnung unter den Bewohnern. Ein «Melting Pot». Mit der mehrhäuptigen Fassade aus Profilit-Glas-Elementen und einer transparenten Wärmedämmung zwischen den einzelnen Schalen, schützt es das Innere des Gebäudes effizient vor dem Umgebungslärm, lässt aber durch den transluzenten Fassaden-aufbau viel Licht in das Innere des Gebäudes eintreten. Einzelne, grossformatige Fenster gewähren punktuelle Ausblicke ins Freie. Die Schallschutzverglasungen sind dabei so angeordnet, dass Sie jeweils ein Geschoss versetzt über den Loungeflächen liegen. Dies verhindert einen direkten Ausblick auf die Hektik des vorbeifahrenden Verkehrs der Autobahn, macht aber den Blick nach oben hin frei in Richtung Himmel, so dass der Bezug nach aussen und die Lesbarkeit der Stimmung und des Wetters gewährt bleibt. Die Fensterflächen sind bewusst nur spärlich eingesetzt, um dem Atrium einen intimen, konzentrierten Charakter zu verleihen, welcher den Ort des internen Austausches und Begegnungsraum stärkt. An den Geländern der Loungebalkone und internen Laubengänge sind metallene Pflanzkübel mit Rankenpflanzen gehängt. Sie dienen nicht nur als optisch Bereicherung, sondern als natürlicher Filter und Luftbefeuchter und wirken sich so auf vielerlei Hinsicht positiv auf das innere Klima des Gebäudes aus. Das Atrium dient aber nicht nur als Kommunikationsraum, sondern wird auch aktiv in das Konzept der Gebäudetechnik einbe-zogen. So wird über den mittigen Erschliessungskern im Untergeschoss vorgewärmte Aussenluft in das Atrium eingeblasen. Sie steigt über das Atrium nach oben, wird dabei durch die innere Bepflanzung mit Feuchtigkeit angereichert, bevor Sie in die Wohn- und Zimmerschichten geleitet wird, um schliesslich über Dach ausgestossen zu werden. Somit ersetzt das Atrium sämtliche verti-kalen Lüftungsleitungen zu den Wohngruppen. Alle «öffentlichen» Nutzungen wie Aufenthaltsräume, Auditorium, die Musik- und Spielräume können ihre Nutzungen in den Atriums-Bereich ausdehnen. So wird das Atrium bei speziellen Anlässen zum multifunktionalen Raum. Die offene, unprogram-mierten Flächen der Loungebereiche und Laubengänge können von den Bewohnern für verschiedenste kreative Nutzungen annektiert und umfunktioniert werden. Es entsteht ein sich stetig wandelnder Raum, der je nach Tages- und Jahreszeit und vom Jahrgang der Bewohner anders gebraucht und bespielt werden kann. Ein «Melting Pot».

Die Gemeinschaftsküche und Aufenthaltsräume
Durch das gesamte Gebäude sind unterschiedlichste Aufenthaltsbereiche aufgereiht. Sie unterscheiden sich durch ihre Flächengrösse und Funktion und damit auch durch den Grad an «Öffentlichkeit». Im Erdgeschoss, angrenzend an das Atrium befinden sich die grössten Räume: Das Auditorium und die beiden Aufenthaltsräume der Gemeinschaftsküche. Diese bieten jeweils Platz für die rund 80 Bewohner. Hier kann gemeinsam gefrühstückt oder zu Abend gegessen werden. Über eine grosse Schiebeverglasung sind sie zudem mit dem Aussenraum verbunden und können bei Bedarf ins Freie erweitert werden. Zusätzlich können die Räume über eine Holz-Glasfaltwand gegen das Atrium geöffnet und geschlossen werden, was unterschiedlichste Nutzungen des Raumes zulässt. Durch das 1.20m hohe Hochparterre der privaten Räumlichkeiten erhalten die zwei Aufenthaltsräume unterschiedliche Geschosshöhen. Dadurch entsteht auf natürliche Weise eine Gliederung der Räumlichkeiten und unterschiedliche Raumstimmungen vom ruhigeren zum lebhafteren Beisammensein. Zusätzlich ermöglicht das Hochparterre eine natürliche Belichtung der Aufenthalts-räume (TV- und Sporträume) im hinteren Teil des Untergeschosses. Das Auditorium dient allgemein als Erweiterung des Atriums und lädt mit seiner Abtreppung zum gemeinsamen Verweilen mit Laptop, Cafétasse oder Buch ein. Über eine Holz-Glasfaltwand kann es geschlossen werden und zum Vortrags- und Inform-ationsraum oder zum Kleinkino für gemeinsame Filmabende umfunktioniert werden.
Im Untergeschoss, angrenzend ans Atrium, sind zwei unterschiedlich grosse Musikräume angegliedert. Durch die Verlängerung der Atriumsfassade ins Untergeschoss und eines Lichthofs werden diese mit Tageslicht versorgt. Leicht versetzt zum Atrium liegen die TV- und Konsolenräume und der Sportbereich. Sie alle können über die Hochparterresituation des Erdgeschosses natürlich belichtet und belüftet werden. Im niedrigeren Teil des Untergeschosses gegen Norden liegen Technik- und Nebenräume, welche den Abschluss in einem Veloraum für rund 60 Fahrräder finden. Weitere Aufenthaltsräume befinden sich im ersten Dachgeschoss. Das Atrium flankierend befinden sich Spiel- und Mehrzweck-räume wie auch ein Bibliotheksraum für gemeinsames, stilles Lernen.
Das zweite Dachgeschoss wurde als privater Dachgarten konzipiert, eine Oase mitten in der grossmassstäblichen Nachbarschaft mit Weitblicken über Stadt und Land. Auf der Sonnenseite lädt ein inszenierter Nutzgarten mit Grill, Hängematten und Sitz-nischen zum Verweilen und Zusammensein ein; gegenüber ermöglicht eine Freifläche sportlichen Ausgleich in luftiger Höhe. Eine grossflächige Photovoltaik-Anlage dient diesen Aussenräumen als Pergola-Konstruktion und bieten den Flächen somit den notwendigen Schatten.

Wohngruppen
Die Wohngruppen sind in den Normgeschossen 1.-3.Obergeschoss als je zwei Wohngruppen mit je 10 privaten Zimmern angegliedert. Diese Wohngruppen verfügen über einen Kern mit je drei Nassräumen und einer grösseren, zusammenhängenden Wohnlandschaft, die sich in verschiedene Nischen aufteilt und somit unterschiedliche Funktionen erfüllen kann. Die Wohngruppen werden über das Atrium erschlossen. Bei Bedarf können die beiden grossen Wohngruppen über schliessbare Zwischenwände auch in vier kleine Einheiten unterteilt werden. Die Position der mobilen «Trennwand» ist so gewählt, dass die Zuordnung der Nassräume auf die Grösse der jeweiligen Wohngruppen reagiert. So entstehen je zwei Vierer- und zwei Sechser-Wohngruppen, die über das Atrium individuell erschlossen, intern jedoch über die Trenntüre stehts in das mittig angebrachte Fluchttreppenhaus gefluchtet werden können.

Das Aussenraumkonzept / Bepflanzungskonzept
Die Durchgrünung der Wohngevierte wird auf der Parzelle weitergeführt. Über die vorgegebene Setzung des neuen Lehrlingsheims entsteht im nordöstlichen Teil der Parzelle eine grosszügige Freifläche. Zur Allee begrenzt ein öffentliches Baum- und Strauchvolumen das Geviert und die Parzelle. Dort setzen wir an und führen das Baumvolumen über die Bauparzelle und um den Neubau fort. Neben den immergrünen Schwarzkiefern zeichnen Birken und Amberbäume die Jahreszeiten nach. Das Blattwerk der Laubbäume bewegt sich im Wind und ziert mit dem Schatten- und Lichtspiel die Innenräume des Hauses. Wildstauden und -sträucher belegen den Boden und bilden gezielt räumliche Schichtungen. Ebenso entsteht ein Sicht- und Schallfilter zur Kantonsstrasse. Ein Quartiersplatz zieht sich vom Eingang Richtung Norden unter die Schatten der Bäume. Dort wird Boule gespielt, Café getrunken, geplaudert und dem Nachbar von gegenüber zugewunken, man trifft sich im Quartier. Die Begrünung im Aussenraum wird nach innen in das Atrium getragen. Kletterpflanzen zeichnen die Gesamthöhe des Luftraumes nach und fördern das klimatische Wohlbefinden im Innern. Der Freiraum der Dachterrasse gehört den Lehrlingen. Unter der mit Glyzinien berankten Pergola wird gegrillt und gegessen, Ping-Pong gespielt oder in den Hängematten neben Gräsern und blühenden Stauden entspannt. Mit den differenziert behandelten Freiräumen werden Orte für unterschiedliche Bedürfnisse der Lehrlinge geschaffen und gleichzeitig der Charakter des Gevierts weitergeführt und aufgewertet.


Nachhaltig

Innovatives Energiekonzept

Ort:
Basel

Zeitraum:
2020

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